Darf die Polizei das Mobiltelefon unter Zwang per Fingerabdruck entsperren?

Der Bundesgerichtshof entschied mit Beschluss vom 13.03.2025 im Aktenzeichen 2 StR 232/24, dass das Entsperren des Mobiltelefons mittels Fingerabdrucks unter Zwang der Polizei zulässig ist, jedenfalls wenn die Durchsuchung zur Beschlagnahme des Mobiltelefons erfolgte, soweit dies verhältnismäßig ist.

Im zitierten Fall erging wegen des Verdachts des Verstoßes gegen ein strafgerichtliches Berufsverbot gem. § 145c StGB ein Durchsuchungsbeschluss mit der Anordnung Mobiltelefone zu beschlagnahmen. Der Angeklagte war zuvor in Kindertagesstätten und Kindergärten tätig und wegen des Besitzes kinderpornografischer Darstellungen vorbestraft, wobei diesem ein Berufsverbot ausgesprochen wurde. Er stand nun im Verdacht entgegen dem Berufsverbot als privater Babysitter tätig zu sein, weshalb auf dem Mobiltelefon Kommunikation über die Anbahnung der Vereinbarung zum Babysitten vermutet wurde, ein Durchsuchungsbeschluss erging mit der Anordnung das Mobiltelefon zu beschlagnahmen.

Im Rahmen der Hausdurchsuchung wurden zwei Mobiltelefone aufgefunden. Der damalige Beschuldigte weigerte sich allerdings das Passwort mitzuteilen oder die Geräte freiwillig per Fingerabdruck zu entsperren. Offenbar war ersichtlich, dass die Geräte per Fingerabdruckscanner geschützt waren und dass diese sich derart entsperren lassen würden. Diese Weigerung ist vom Schweigerecht des Beschuldigten umfasst. Der Beschuldigte ist nicht verpflichtet Passwörter mitzuteilen oder Geräte freiwillig zu entsperren.

Die anwesenden Polizeibeamten ordneten sodann an, dass der rechte Zeigefinger des Beschuldigten unter Anwendung unmittelbaren Zwangs, also schlicht mit Gewalteinwirkung, auf den Fingerabdruckscanner aufgelegt werden sollte. So wurde entgegen dem Willen des Beschuldigten zwangsweise verfahren. Die entsperrten Geräte konnten derart geöffnet direkt an einen Auswertebeamten übergeben werden, der den Zugang sicherte.

Der telefonisch kontaktierte Verteidiger des späteren Angeklagten teilte noch während der Hausdurchsuchung mit, dass der Beschuldigte von seinem Schweigerecht Gebrauch mache und dass er zudem mit keiner polizeilichen Maßnahme einverstanden sei. Letzteres ist relevant, da eine polizeiliche Maßnahme immer dadurch rechtmäßig wird, wenn der Beschuldigte mit dieser einverstanden ist, auch wenn diese gesetzlich nicht hätte durchgeführt werden dürfen.

Auf den Mobiltelefonen wurde sodann kinderpornografisches Material gefunden. Der Verteidiger widersprach der Verwertung der gefundenen Beweismittel ausdrücklich unter Vortrag eines Beweisverwertungsverbotes aufgrund des zwangsweisen Auflegens des Fingers auf den Fingerabdruckscanner der Mobiltelefone. Die Verteidigung rügte zum einen das Fehlen einer Rechtsgrundlage für ein zwangsweises Auflegen des Fingers, die insbesondere nicht in § 81b StPO zu sehen sei, sowie selbstverständlich einen Verstoß gegen das Recht des Beschuldigten sich nicht selbst belasten zu müssen und einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Hieraus folge ein Beweisverwertungsverbot, weshalb die vorgefundenen Beweismittel im Verfahren gegen den Angeklagten nicht verwertet werden dürften, was insoweit zu einem Freispruch führen müsse.

Der Beweise wurden dennoch verwertet. Der Angeklagte wurde auf Basis der gefundenen Beweismittel verurteilt. Er legte hiergegen Revision ein, mit grundlegend gleicher Begründung.

Der Bundesgerichtshof statiert sodann zwar, dass ein schwerwiegender Grundrechtseingriff vorliege. Er stellt dennoch die Rechtmäßigkeit des zwangsweisen Entsperrens der Mobiltelefone fest. Die Rechtsgrundlage sei § 81b StPO, die Vorschrift für die Zulässigkeit erkennungsdienstlicher Maßnahmen, sowie die §§ 94 ff. StPO, die Vorschriften über Sicherstellung und Beschlagnahme von Beweismitteln. Allerdings soll dies nur gelten, soweit die Durchsuchung sich auch auf die Beschlagnahme des Mobiltelefons bezog, was in der Praxis regelmäßig der Fall sein dürfte aber auch nur dann, wenn der schwerwiegende Grundrechtseingriff im Einzelfall verhältnismäßig ist.

Aus der Begründung wird ersichtlich, dass nicht nur das zwangsweise Entsperren des Mobiltelefons mittels des Fingerabdrucks des Beschuldigten, sondern sicherlich auch ein zwangsweises Entsperren mittels Gesichtserkennung und anderer körperlicher Merkmale hierdurch möglich und beweisverwertbar wird.

Dennoch wird es dabei bleiben, dass ein Zugang mittels Passwortes oder Pincode, der ja vom Beschuldigten mündlich mitgeteilt werden müsste dem Schweigerecht des Beschuldigten unterliegt und daher weder freiwillig angegeben werden sollte noch mittels Zwangs erlangt werden kann. Denn im Falle eines Passwortes wird es beim Schweigerecht des Beschuldigten bleiben.

Es bleibt abzuwarten welche Möglichkeiten die Einschränkung der Verhältnismäßigkeit der Verteidigung eröffnet. Hier wäre ein praktisch relevanter Ansatzpunkt um im Einzelfall dennoch ein Beweisverwertungsverbot erreichen zu können.

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