Kriterienkatalog bei strafrechtlicher Einstufung als faktischer Geschäftsführers ist nicht fix

Kriterienkatalog für die Einstufung eines faktischen Geschäftsführers, als strafrechtlich verantwortliche Person deutlich relativiert - Einzelfallbetrachtung, konkrete Unternehmenssituation, keine Tätigkeit nach Außen erforderlich.

Anwalt mit Geschäftsführer im Hintergrund steht Insolvenz in Rot

In seinem Urteil vom 27. Februar 2025 (Az. 5 StR 287/24) hat der Bundesgerichtshof (BGH) die strafrechtliche Bewertung der sogenannten faktischen Geschäftsführerstellung neu definiert. Der Fall betraf einen Angeklagten, der über Strohmänner mehrere insolvenzreife Unternehmen übernahm und deren Vermögen systematisch verwertete. Obwohl er nicht formell, als Geschäftsführer bestellt war, steuerte er sämtliche unternehmerischen Entscheidungen. Das Landgericht Leipzig hatte ihn lediglich wegen Beihilfe verurteilt – der BGH sah das anders.

Die Rechtsprechung zur faktischen Geschäftsführerstellung orientierte sich bislang an einem Kriterienkatalog, der sich aus Entscheidungen wie BGHSt 46, 342 und BGH, Urteil vom 10.12.2002 – 5 StR 411/02 ableitete, der nun nicht ungültig wird aber in anderem Lichte zu sehen ist. Zu den typischen Merkmalen zählten:

  • Tatsächliche Leitung der Geschäfte
  • Verhandlungsvollmacht gegenüber Dritten
  • Verfügungsgewalt über Konten und Vermögen
  • Auftreten nach außen als Geschäftsführer
  • Weisungsbefugnis gegenüber Mitarbeitern
  • Verantwortung für strategische Entscheidungen

Die Gerichte verlangten regelmäßig eine Mehrzahl dieser Kriterien, um eine faktische Organstellung zu bejahen. Dabei wurde oft schematisch geprüft, ob der Angeklagte „wie ein Geschäftsführer“ agierte.

Der BGH distanziert sich nun ausdrücklich von diesem schematischen Ansatz. In den Leitsätzen heißt es:

„Die Subsumtion unter § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB darf nicht durch das bloße Abarbeiten eines Kriterienkatalogs ersetzt werden.“

Stattdessen fordert der BGH eine Gesamtschau der tatsächlichen Verhältnisse. Entscheidend sei, ob der Betroffene die unternehmerischen Entscheidungen maßgeblich beeinflusst und geschäftsführertypische Aufgaben tatsächlich übernommen hat – unabhängig von formellen Rollen oder Außenauftritt.

Besonders relevant ist die Aussage, dass bei nicht werbend tätigen Unternehmen (z. B. in Liquidation oder Insolvenz) ein Auftreten nach außen nicht erforderlich sei. Damit erweitert der BGH die Anwendbarkeit des § 14 StGB auf Konstellationen, in denen die faktische Leitung im Verborgenen erfolgt.

Einem platten Abarbeiten des Kriterienkataloges wird damit eine klare Absage erteilt. Das Vorgehen bei Einsetzung eines Geschäftsführers als Strohmann kann daher nicht mehr pauschal anhand von Kriterien abgesichert werden. Es ist vielmehr die Gesamtschau des Einzelfalles vorzunehmen, die auch konkret auf die Lage des Unternehmens beispielsweise in Auflösung betrachtet.

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